Jugendfeier 2017

Was sind die Freidenker?
Was haben sie mit der Jugendfeier zu tun?
Was finden sie gut an der Jugendfeier?

Klaus Hartmann steht im Saal des Bürgerhauses Bornheim Rede und Antwort

Interview der Jugendfeier-Teilnehmerin Sara Martin mit Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes bei der Jugendfeier am 25. Mai 2017 in Frankfurt am Main

Als Erstes Herzlich Willkommen zu unserer Jugendfeier, ich freue mich, dass Sie heute hier sind. Ich habe ein paar Fragen vorbereitet, die erste Frage: Was ist eigentlich der Deutsche Freidenker-Verband?

Das ist natürlich jetzt in aller Kürze etwas schwierig zu beantworten. Ich will mir verkneifen, bei den griechischen Philosophen in der Antike anzufangen, was ich eigentlich müsste, deshalb beschränke ich mich auf Deutschland, und da auf das 19. Jahrhundert. Es waren hauptsächlich zwei Strömungen, die sich zur Gründung eines Freidenkerverbandes entschlossen haben, einerseits die Revolutionäre, die 1848 vergeblich für eine demokratische Republik und gegen das Kaiserreich gekämpft haben, und die in Opposition zu den Kirchenoberen standen, daraus entwickelten sich die Freireligiösen; und es gab eine erstarkende Arbeiterbewegung, und dies waren die hauptsächlichen inhaltlichen Quellen.

Ansonsten weltanschaulich: Es gab eine praktisch explosionsartige Vermehrung der Erkenntnisse der Naturwissenschaften, der Entdeckungen, und die ließen immer weniger Platz für den Glauben an einhöheres Wesen; und es gab eine zunehmende Verbreitung der Erkenntnisse von Karl Marx und Friedrich Engels über die Ökonomie und die Gesellschaft. Diese beiden geistigen Strömungen führten zusammen 1881 zur Gründung der Freidenker, hier in Frankfurt am Main, mit dem ersten Vorsitzenden Prof. Ludwig Büchner, er war Naturwissenschaftler, Bruder des Dichters Georg Büchner.

Die Hauptanliegen der Freidenker waren damals gegen die „Ehe von Thron und Altar“ aufzustehen, für die Trennung von Staat und Kirche würden wir heute sagen, und das sind Dinge die eigentlich heute noch aktuell sind, weil die Kirchensteuer wird weiterhin durch den Staat eingezogen, den Kirchenaustritt muss man beim Gericht erklären, Religionsunterricht gibt es, die Militärseelsorge, die Militärbischöfe werden von Steuergeldern bezahlt, genauso der Kirchentag, der heute beginnt, mit der Bundeskanzlerin als Ehrengast, und die Bundeswehr macht dort tatsächlich wieder ihr „Werben fürs Sterben“. Von daher denken wir, es gibt aktuelle Gründe, und die wesentlichen Dinge sind: damals war die Kirche die beherrschenden Kraft über die Köpfe der Menschen, das ist heute anders – die Massenmedien haben ihr den Rang abgelaufen, um die Schäfchen bei der Stange und still zu halten.

Meine zweite Frage wäre, was der DFV mit der Jugendfeier eigentlich zu tun hat.

Nun, bei den Kirchen gibt es Konfirmation oder Firmung, aber schon längere Zeit vorher, eigentlich zu allen Zeiten, in allen Kulturkreisen, wurde der Übergang ins Erwachsenenleben durch sogenannte Initiationsriten gefeiert. Und die Freidenker bieten Feiern, weltliche Feiern zu allen Wendepunkten des Lebens an, und insofern hat es sich auch zeitgleich im 19. Jahrhundert entwickelt. Damals hieß es anfangs Schulentlassungsfeiern, organisiert zunächst von Mitgliedern der Arbeiterparteien, der Gewerkschaften, der Freireligiösen, von den Freidenkern erstmals in den 1870er Jahren in Hamburg.

Und diese Tradition ging auch nach 1945 weiter, in den Westzonen und eigentlich auch in der DDR, wo es dann Anfang der 1950er Jahre staatlich organisiert wurde, aber anders, als ein weitverbreitetes Vorurteil lautet, es wurde eben nicht in der DDR „erfunden“. In Frankfurt am Main wurden Jugendweihen bis Ende der 1980er Jahre von der August-Bebel-Gesellschaft durchgeführt, dann nicht mehr, und die Eltern kamen zu den Freidenkern in Hessen, und sagten: „Übernehmt Ihr bitte!“ Und genau das machten wir.

Denn es entspricht auch dem Menschenbild der Freidenker, die in der Tradition der Aufklärung stehen, dass sie sagen: Der Mensch ist in der Lage, die Welt zu erkennen, die Gesellschaft zu erkennen, seinen Platz in der Gesellschaft zu bestimmen, Interessen zu artikulieren und für gerechte Verhältnisse einzutreten. Und auf Lügen nicht hereinzufallen – um mal ein Beispiel zu nennen: Wenn Euch erzählt wird, es würden „humanitäre Kriege“ geführt, ist unsere Antwort: Kriege sind nie humanitär, es sterben immer Menschen für wirtschaftliche Interessen der Mächtigen, und dies sind aktuelle Anliegen, die wir im Zuge von Aufklärung natürlich auch in diesem Rahmen vermitteln wollen.

Meine dritte und letzte Frage: Was Sie an der Jugendfeier gut finden oder wo Sie die Vorteile der Jugendfeier sehen?

Ja, eine ganze Menge, ich denke, Ihr könnt hier lernen und erleben, dass es gut ist und Spaß macht, selbst zu denken, also kein „betreutes Denken“ zu erleben, und dass freies Denken andererseits nichts Beliebiges ist, nicht auf Spekulation oder Glauben gründet, sondern auf Tatsachen, auf Wissen,auf Logik, und insofern ist Denken natürlich Anstrengung, weil: Wissen muss erworben werden; und was man hier noch lernen kann, und was das Gute daran ist: man lernt, dass es mit anderen gemeinsam besser geht.

Und dass es Wichtigeres gibt, als „Deutschland sucht den Superstar“ oder das „nächste Top-Model“ oder „Bauer sucht Kuh“, also dass man der Verblödung eben widerstehen soll. Und dass es des Mutes bedarf, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, um mit Kant zu sprechen, und der dies als die Losung der Aufklärung ausgab, und das bedeutet: sich nicht einschüchtern lassen, Fragen nicht verbieten zu lassen, nicht die Klappe zu halten, nicht unbedingt immer im Strom mitschwimmen, sondern Widerspruch anmelden, und dass Kritik kein Störfaktor ist, sondern Mittel zur Erkenntnis, dass man um Durchblick ringen will, Hintergründe erkennen will, Zusammenhänge, und dass man letztendlich zu einem Leben kommen möchte – und das ist hier ein gewisses Training dafür – ein Leben selbstbestimmt statt fremdgesteuert, heißt auch erkennen, was schief läuft, und mit Krieg, Armut, Ungerechtigkeit sich nicht abfinden.

Wenn wir heute feiern, lassen wir uns natürlich die Stimmung nicht verderben, und auch morgen, wenn der sogenannte Ernst des Lebens wieder anbricht, das heißt die „Nichtfeiertage“ losgehen, dann werden wir uns auch von schlechten Nachrichten nicht unterkriegen lassen, und das zu trainieren ist das Gute an der Jugendweihe und an der Jugendfeier. Wir wollen in Frieden und Gerechtigkeit leben und dafür was tun, in einem Wort: „es wissen wollen“ – das sind Tugenden, die mit der Jugendfeier verbunden sind, und die nützlich sind fürs Leben, und deshalb unterstützen wir das.

Vielen Dank!